• Auf dem Rücken der Pferde ...
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Praktikumsbericht

Von Jana Lukas - Autorenpraktikantin

 

Für den Praktikumszeitraum 08.04.2019 bis 12.04.2019

Im Reittherapeutischen Verein Kassiopeia

 

Habt ihr schon mal ein Praktikum absolviert? Ich bis vor kurzem tatsächlich noch nie. Und weil ich es total ungerecht finde, dass es das zu meiner Schulzeit noch nicht gab, habe ich mir gedacht: Wenn schon Praktikantin mit zweiundvierzig, dann mit allem Drum und Dran. Zugegeben, auf eine Praktikumsbeurteilung verzichte ich lieber, weil bei den positiven Aspekten vermutlich höchstens Dinge a la „hält die Mistgabel richtig herum“ stehen würden (über die nicht so gelungenen Punkte schweige ich an dieser Stelle galant).  Einen eigenen Praktikumsbericht habe ich mir aber auf jeden Fall verdient!

 

Mein unrühmliches Big-Booty-Judy-Trauma – Gründe für das Praktikum

Schuld an allem ist meine beste Freundin – Leonie Lastella. Genau genommen ist sie meistens schuld, wenn mir irgendetwas total verrücktes passiert. Wie zum Beispiel mit einem Bärenabwehrspray auf dem Armaturenbrett durch die Wildnis Wyomings zu gurken und mir vor Angst fast in die Hose zu machen. Nur um dann das Bärenspray im Auto liegen zu lassen, als mir tatsächlich eine Bärin mit ihren Jungen begegnete. Natürlich war sie auch dafür verantwortlich, dass uns ein Ranger in Yellowstone vierzig Jahre Gefängnis, plus 20 Millionen Dollar Geldstrafe, androhte (sie hatte falsch geparkt). Und ja, auch mein großes Pferderückentrauma – der Ritt der Schande – geht auf ihr Konto. Genau genommen saß ich noch nicht mal auf einem Pferd, sondern auf einem Muli namens Big Booty Judy (der Name war Programm). Und das noch nicht mal, weil ich unbedingt durch die Berge Montanas reiten wollte, sondern weil ich am Abend zuvor einfach ein oder vielleicht auch zwei Bierchen zu viel gehabt hatte und mich aus mir unerklärlichen Gründen zu diesem Trip überreden lassen habe. Auf die Details dieser demütigenden Erfahrung will ich hier nicht näher eingehen. Ich denke, das Bild spricht für sich – und Big Booty Judy lacht sich vermutlich noch heute kaputt über mich.

 

Abgesehen davon bedeutet das Autorenleben für mich, grundsätzlich auch ein kleines bisschen verrückt zu sein. Aber was soll man auch machen, wenn man ständig die Chance hat, in fremde Leben, Berufe, Hobbies und Leidenschaften zu schlüpfen? Für mich ist die Recherche einer der schönsten Teile der Arbeit an einem neuen Roman. Deshalb reise ich so gern an die Schauplätze meiner Bücher, oder probiere die Berufe meiner Protagonisten aus. Sicher, das funktioniert nicht immer. Als Bootsbauer oder Notärztin konnte ich bislang noch nicht punkten. Aber ich habe mich zum Beispiel mal als Goldschmiedin versucht und einen echt hübschen Ring geschmiedet ... was mich allerdings bei der Idee eines Pferdepraktikums geritten hat – keine Ahnung. Als Joachim Kurrle von „Kassiopeia“ mir die Hospitation angeboten hat, habe ich einfach zugesagt (ohne Nachdenken, glaube ich.

 

Ich wollte etwas über Pferde lernen. Über Menschen. Und über mich – Was ist „Kassiopeia“?

Kassiopeia - das Himmels-W … so viel kann ich mit dem Namen noch verbinden, auch wenn es um meine Astronomie-Fähigkeiten nicht viel besser bestellt ist als um mein Talent als Muli-Reiterin.

Der Reittherapeutische Verein „Kassiopeia“ hingegen ist nichts für Hans-Guck-in-die-Luft’s, sondern ziemlich erdverbunden. Die zwölf Pferde, die es hier gibt, stehen mit allen vier Hufen fest auf dem Boden. Denn „Kassiopeia“ bietet Menschen mit und ohne Behinderung die Möglichkeit, Pferde zu erleben. Durch beobachten. Pflegen und reiten. Die vierbeinigen Mitarbeiter – wie Joachim Kurrle die Pferde gern nennt – sind sehr aufmerksam und ruhig. Sie sind ausgeglichen und freundlich. Und vor allem haben sie echt starke Nerven. Die beste Voraussetzung, um auch mit jemandem wie mir klarzukommen.

 

Nordic Walkende Mistschauflerin – Meine Aufgaben

Ich habe schnell gelernt, dass Pferde sich nicht verstellen. Sie sprechen eine ganz klare Sprache. Sie beruhigen uns und vermitteln Nähe und Wärme. Am spannendsten fand ich ihre Art, das Verhaltens ihres Gegenübers durch ihre direkten Reaktionen zu spiegeln und uns damit sowohl unsere Stärken als auch unsere Grenzen aufzuzeigen.

Nachdem ich mit Schimmel Gitano auf „Pferdisch“ kommuniziert, die hübsche Maluna geführt, Rockstar Dustins Hufe ausgekratzt und den verfressenen Ramon davon abgehalten habe, die halbe Wiese auf einmal abzugrasen, habe ich ziemlich schnell verstanden, was diese Stärken sind – und wo meine Grenzen liegen.

 

Natürlich musste in diesem Praktikum auch Hand angelegt werden. Und zwar ganz schön. Abgesehen davon, dass ich schon am ersten Tag so viel frische Luft eingeatmet habe, wie sonst in einem halben Jahr nicht (Ich kann euch sagen, das macht einen echt fertig!, haben sich die Pferdeäpfel nicht von selbst weggeräumt. Genau wie der Hof sich nicht von selbst fegte und die Tränken nicht durch Zauberhand gefüllt wurden. Die Therapie- und heilpädagogischen Einheiten hatten ziemlich viel mit Ausritten in den nahegelegenen Wald und auf die umliegenden Felder zu tun. Die Pferde gingen zwar im Schritt, aber falls ihr euch schon mal eines aus der Nähe angesehen habt: Die Beine sind eeeendlos lang. Neben so einem Vierbeiner herzulaufen hatte etwas von unfreiwilligem Nordic Walking-Training. Fünfmal dreißig Minuten macht insgesamt zweieinhalb Stunden – an einem Tag! Auch das war vermutlich mehr, als ich mich im letzten halben Jahr insgesamt bewegt habe.

 

Pferde, Pferde, Pferde – ein typischer Praktikantentag

 

08:00 Uhr

Los geht’s! Erst mal ausführlich Hofhund Toby einen ‚Guten Morgen‘ wünschen. Mit viel Kraulen und einer ernsthaft geführten Hund-Mensch-Unterhaltung.

08:05 Uhr

Ställe misten – nun ja, das fühlt sich genauso an, wie es klingt.

08:45 Uhr

Wasserschlauch zum Füllen der Tränken verknotet

08:50 Uhr

Wasserschlauch wieder entknotet, Tränken gefüllt

09:05 Uhr

Hof fegen (ein wirklich, wirklich großer Hof) – sozusagen die höchste Form der Meditation … und sehr interessant bei Wind.

09:30 Uhr

Hippotherapie-Einheit

10:15 Uhr

Hippotherapie-Einheit

11:15 Uhr

Kindliche Früherziehung – Kindergarten

12:00 Uhr

Pferdekommunikation

13:00 Uhr

Mittagspause

14:00 Uhr

Reitstunde in der Halle – mit jeder Menge Zeugs, das aufgebaut (und hinterher wieder abgebaut) werden musste.

15:30 Uhr

Reittherapiestunde

16:30 Uhr

Reittherapiestunde

17:30 Uhr

Reittherapiestunde

18:30 Uhr

Auf allen Vieren zum Auto kriechen und hoffen, dass es der geschundene Rücken noch bis zur Badewanne schafft.

20:06 Uhr

Auf der Couch einschlafen

 

Der Rotweinfleck auf meinem Sofa – Fazit einer außergewöhnlichen Woche

Ich muss es ehrlich zugeben: die Woche bei „Kassiopeia“ hat mich an meine Grenzen gebracht. Mental und körperlich. An einem Abend war ich so kaputt, dass ich mit dem Weinglas in der Hand auf dem Sofa eingeschlafen bin. Der nicht mehr zu entfernende Rotweinfleck auf dem beigen IKEA-Stoff wird für immer Zeugnis dieser Erfahrung bleiben. Mein Rücken wundert sich auch eine Woche nach diesem Abenteuer noch, was das Ganze eigentlich sollte.

Aber trotzdem möchte ich nicht eine Minute missen. Es ist fantastisch, morgens bei kalten fünf Grad und Sonnenschein die Mistgabel zu schwingen. Es ist beruhigend, das sanfte Schnauben der Pferde zu hören und ihnen beim Herumalbern auf der Koppel zuzusehen. Der Geruch nach Tieren und Heu. Das Stroh, das im Wind tanzt. Die Atmosphäre in einem Stall lässt sich schwer in Worte fassen, wenn man sie nie selbst erlebt hat. Eine einmalige Stimmung. Ich freue mich schon wahnsinnig darauf, all diese Erfahrungen in spannende Romane zu packen.

Und nicht zu vergessen: Rashida, das hübsche Mädchen, hat Big Booty Judys Schmach ausgemerzt. Am Sonntag vor dem Praktikum hätte ich mich einem Pferd noch nicht weiter als fünf Meter genähert. Aber die sanften Wesen mit den seelenvollen dunklen Augen haben mir keine Chance gelassen. Ich habe es einfach nicht geschafft, ihnen zu widerstehen.

 

Aber darüber hinaus dürfen wir natürlich nicht vergessen, dass „Kassiopeia“ kein Verein ist, der sich darauf spezialisiert hat, neugierigen Autorinnen die Welt des Reitens zu erklären. Joachim Kurrle hat mit Therapeuten, Trainern, Bundesfreiwilligendienstlern und Helfern ein großes, qualifiziertes und engagiertes Team um sich geschart. Hier wird mit Hilfe der Pferde viel Gutes getan. Von Menschen – für Menschen. Ich habe selten so viel positive Energie, Fröhlichkeit und Gelassenheit erlebt, wo eigentlich Schicksalsschläge, Beeinträchtigungen, Krankheiten und manchmal einfach nur mieses Karma wie schwarze Wolken über uns hätten hängen müssen. Vertrauen und Instinkt, habe ich gelernt, sind wichtig. Und die Geduld und Gelassenheit der Pferde – die sich auf alle übertragen.

 

Wenn ihr neugierig seid, könnt ihr hier noch mehr über „Kassiopeia“ erfahren.